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Vom Eindeutschen oder: Ein Plädoyer für [ˈplɛːdɔɪ̯ɐ]

24. März 2025 — Malte Dostal

Es macht nichts, falls Sie die IPA-Lautschrift im Titel nicht lesen können, denn hier wird alles geklärt. Es geht um eingewanderte deutsche Wörter, deren Integration in unsere Leitkultur – pardon! ich meine natürlich: Sprache – und wie man es übertreiben kann.


Im amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung steht in Teil I unter Zeichen A.0.3.1 folgendes:

Fremdwörter unterliegen oft fremdsprachigen Schreibgewohnheiten […]. Ihre Schreibung kann jedoch – und Ähnliches gilt für die Aussprache – je nach Häufigkeit und Art der Verwendung integriert, das heißt dem Deutschen angeglichen werden […].

Ein Beispiel für die »integrierte« Schreibung ist das schöne, urdeutsch klingende Wort: Streik. Das kommt nämlich vom englischen »strike« und ist sowohl in der Schreibung als auch der Aussprache eingedeutscht. Wie schön! – und wie seltsam es doch wäre, hätte sich nur die Schreibung oder nur die Aussprache integriert. »Strike« mit dem deutschen »scht« (ʃt) auszusprechen, wäre ulkig und das offensichtlich deutsche »Streik« mit dem fremden »st« (und dem weicheren »r«) auszusprechen ist undenkbar.

Noch ein Beispiel: die Statue. Die kommt von dem lateinischen Wort »statua« und wurde hinsichtlich der Endung eindeutig in die deutsche Schreibung integriert. Freilich spricht also auch keiner das Wort mehr lateinisch aus – das hieße nämlich, erneut das deutsche »scht« mit dem fremden »st« zu ersetzen. Zwar steht diese Aussprache (anders als beim Streik) im Duden neben der deutschen. Diese lateinische Aussprache ist allerdings bestenfalls veraltet und jedenfalls markiert. Ähnlich ist es bei »Struktur« und vielen anderen lateinischstämmigen Begriffen.

Diese angepassten Fremdbegriffe nennt man – im Gegensatz zum Fremdwort – Lehnwort. Viele Lehnwörter kommen aus Frankreich: Büro (bureau), Möbel (meuble), Büromöbel (bureau meuble1), Parvenü (parvenu), Debüt (début), … und wurden teils rigoros (rigoureux) eingedeutscht.

Hier kommt nun mein Plädoyer (plaidoyer) und es ist mir eine persönliche Angelegenheit: So wie die Schreibung von Plädoyer klar dem Deutschen angeglichen ist, sollte es auch die Aussprache sein. Überhaupt: Die Schreibung sollte vollständig angepasst werden. Dieser Mischmasch zwischen deutscher und französischer Schreibung und Aussprache ist höchst ärgerlich! Also: Schreibt es entweder (wieder) »Plaidoyer« oder sprecht es auch deutsch aus, nämlich so: [ˈplɛːdɔɪ̯ɐ], mit einer Endung, die wie das Pronomen2 »euer« klingt! Wenn wir dann so weit sind, können wir es auch in der Schreibung vollständig eindeutschen und Plädeuer schreiben. Großartig!

Wenn Sie jetzt vermuten, es habe sich einmal Jemand über mich lustig gemacht, weil ich das Plädoyer unwissentlich deutsch ausgesprochen habe und darin mein einziger Grund für dieses Plädeuer liegt … nun, so haben Sie durchaus recht.

Schlagwörter: sprache, sprachkritik


  1. Diese Übersetzung stimmt natürlich nicht – ein kleiner Scherz.↩︎

  2. Die syntaktische Wortart von »euer« ist übrigens meistens der Artikel (»Ist das euer Auto?«).↩︎