Unwort des Monats: gern
Lesen Sie hier, wieso gern für mich das Unwort des Monats ist und wieso man eigentlich mit »bitte« auf einen Dank antwortet.
Seit einigen Jahren ist es üblich, gern statt bitte zu sagen. Sowohl bei einer Bitte (»Ich hätte gern ...«) als auch als Antwort auf einen Dank (»Danke« - »Gern«). Wobei es da eigentlich keinen Unterschied gibt. Das bitte als Antwort auf einen Dank ist ebenfalls eine Bitte, nämlich die Bitte, nicht zu danken, womit man den eigenen Verdienst höflich herunterspielt und sich aus dem Vordergrund zieht. Wofür sich bedankt wird ist entweder nicht der Rede wert oder eine Ehrensache – in beiden Fällen hat man den Dank nicht verdient. Das ist äußerst höflich. Stattdessen mit »gern« zu antworten, ist weit weniger höflich. Man lehnt den Dank nicht aus den oben genannten Gründen ab, sondern stellt sich selbst noch weiter heraus, indem man behauptet, man habe es gern gemacht. »So bin ich eben. Ich helfe halt gern«. Darin steckt zu allem Überfluss also eine gewisse Eitelkeit.
Ähnlich ist es im Falle einer Bitte nach Schema »Ich hätte gern ...«. Der Sprecher drückt seine Bitte nicht direkt aus, sondern stellt an den Adressaten der Bitte gewandt lediglich fest, dass er sich über etwas freuen würde. Dieser soll dann selbst daraus schließen, dass von ihm etwas erbeten wird. Ganz zu schweigen davon, dass man dadurch häufig ein Gespräch (z. B. beim Bäcker) mit »Ich« anfängt, was freilich auch ein Fauxpas ist.
Es ist mir freilich klar, dass beides Phrasen sind, bei denen sich der Sprecher üblicherweise nichts weiter denkt. Wer »bitte« antwortet, denkt nicht daran, dass er darum bittet, nicht zu danken und wer »gern« antwortet, denkt nicht daran, eitel zu sein. Meiner Ansicht zufolge ist diese großflächige Veränderung allerdings durchaus ein Symptom der allgemeinen Abkehr der Gesellschaft von der Höflichkeit und dem Verkümmern der deutschen Sprache.
Deswegen also ist gern mein Unwort des Monats März 2025.
Mein Nachdenken über bitte und gern wurde angestoßen von einem großartigen Artikel des Bastian Sick in Ausgabe 103 des Magazins »Sprachnachrichten« des Vereins Deutsche Sprach, Seite 17 (https://vds-ev.de/sprachnachrichten).
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